Hypersomnien und CFS: Krankhaft müde | PZ – Pharmazeutische Zeitung

2022-10-14 21:58:14 By : Ms. Anna luo

Von Burkhard Kleuser/ Eine tagsüber auftretende, exzessive Müdigkeit mit episodischen Einschlafattacken ist charakteristisches Symptom einer Hypersomnie.

In leichten Fällen macht sie den Tag durch schwere Müdigkeit zur Qual. In schweren Fällen kann sie durch unwillkürliches Einschlafen zu folgenschweren Gefahrensituationen führen.

Wie exzessive Müdigkeit kann auch Erschöpfung den Tag zur Qual machen.

Deutlich von Hypersomnien abzugrenzen ist das chronische Erschöpfungssyndrom/Fatigue Syndrom (CFS). Trotz ständiger Müdigkeit sind betroffene Patienten oft nicht in der Lage, tagsüber zu schlafen. Gemeinsam ist beiden Erkrankungen eine Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit

Mehr als 30 Prozent der Erwachsenen leiden hin und wieder oder häufig unter Ermüdungserscheinungen, so zeigen Befragungen der deutschen Bevölkerung (1). Allerdings ist Müdigkeit ­ ein subjektives Empfinden und muss nicht mit einer erhöhten Einschlaf­bereitschaft einhergehen. Sie kann auch die Folge körperlicher Erschöpfung sein.

Leitsymptom der »echten« Hypersomnie ist eine erhöhte Tagesschläfrigkeit, die sich in verlängerten Nachtschlaf­episoden, einem ständigen Schlafbedürfnis während des Tages und eventuell auch dem unwillkürlichen Auftreten von Einschlafattacken ausdrücken kann (2).

Eine Hypersomnie kann Begleitsymptom vieler Erkrankungen sein. Hierzu gehören vor allem psychische Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenie, aber auch Infekte, Tumore, Diabetes mellitus, Schilddrüsenstörungen oder Multiple Sklerose. Dann steht die therapeutische Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.

In der »International Classification of Sleep Disorders« (ICSD) -2 aus 2005 werden diese sekundären Schlafstörungen, die durch psychiatrische, neurologische oder andere Grunderkrankungen bedingt sind, nicht berücksichtigt.

Vielmehr werden in der ICSD-2 verschiedene Formen der Hypersomnien zentralnervösen Ursprungs unterschieden, die ihre Ursache nicht in zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, schlafbezogenen Atmungsstörungen oder einem anderen Grund für gestörten Nachtschlaf haben (3). Dazu zählen die Narkolepsie, die idiopathische Hypersomnie sowie die periodische Hypersomnie (Kleine-Levin-Syndrom). Diese Erscheinungsformen der Hypersomnien lassen sich diagnostisch sehr gut nachweisen.

Dagegen ist das CFS recht schwierig zu diagnostizieren und wird häufig nicht als schwerwiegende Erkrankung erkannt (4). Neben einer anhaltenden Erschöpfung und Müdigkeit kommen beim CFS noch ausgeprägte körperliche und neurokognitive Symptome hinzu.

Die Diagnostik bei Verdacht auf Hypersomnien beginnt mit einer ausführlichen Anamneseerhebung des Kernsymptoms Tagesschläfrigkeit. Als wichtiges Instrument wird ein Schlaftagebuch über mehrere Wochen betrachtet. Wenn sich hier herausstellt, dass der Patient trotz ausreichenden Nachtschlafs Schwierigkeiten hat, sich tagsüber wach zu halten, und es gelegentlich zu Einschlafattacken kommt, ist der Verdacht eingegrenzt.

Die schlafmedizinisch überwachte Polysomnografie ist Referenzmethode bei der apparativen Diagnostik von Hypersomnien.

Die dann folgende schlafmedizinisch überwachte Polysomnografie (PSG) im Schlaflabor ist Referenzmethode bei der apparativen Diagnostik von Hypersomnien. Vor allem systematische Tagschlafuntersuchungen und hier auch der Multiple Schlaflatenz-Test (MSLT) sind wichtig für die Diagnostik der Hypersomnien (5).

Der Patient muss sich während des Tages alle zwei Stunden mit der Aufforderung hinlegen, nach Möglichkeit einzuschlafen. Durch begleitende schlafpolysomnographische Messungen, also die gleichzeitige Aufzeichnung von in diesem Zusammenhang wichtigen Parametern wie Schlaf-EEG, Augen- und Körperbewegungen, Atmung, Sauerstoffsättigung, Muskeltonus und Herzfrequenz, häufig in Verbindung auch mit Videoaufzeichnungen in einem Schlaflabor, lassen sich die Einschlafneigung und das verfrühte Auftreten von REM-Schlaf testen.

Eine Einschlaflatenz von weniger als 10 Minuten, ermittelt aus mehreren Durchgängen, gilt hierbei als sehr auffällig; Einschlafzeiten von weniger als 5 Minuten weisen auf eine ausgeprägte Hypersomnie hin. Fällt der Patient zudem in 2 oder mehr von insgesamt 5 Durchgängen vorzeitig in den REM-Schlaf, ist dies ein deutliches Anzeichen für eine Hypersomnie.

Eine alternative Methode zur Erfassung der Tagesschläfrigkeit ist der »Maintenance of Wakefulness«-Test, bei dem der Patient dem Einschlafen so lange als möglich zu widerstehen hat (6).

Die erst seit 1998 bekannten Neuropeptide Orexin A und B (Hypocretin 1 und 2) spielen eine entscheidende Rolle für den Schlafrhythmus (7). Diese exzitatorischen Neuropeptide werden nur von wenigen Tausend Zellen im lateralen und posterioren, also seitlichen beziehungsweise hinteren Hypothalamus synthetisiert. Ihre Ausschüttung erreicht ein Maximum im Wachzustand während motorischer Aktivität.

Für Narkolepsie-Patienten kann auch und gerade das Autofahren zum Problem werden.

Gesteuert wird die Orexin-Freisetzung unter anderem vom Nucleus suprachasmaticus, der im ventralen, also vorderen Hypothalamus in direkter Nähe des Sehnervs lokalisiert und die zentrale Schaltstelle der zirkadianen Uhr beim Menschen ist. Daneben wird die Orexin-Freisetzung vom limbischen System beeinflusst, ein Bereich des Gehirns, in dem Emotionen verarbeitet werden. Periphere Moleküle wie Glucose, Ghrelin und Leptin nehmen ebenfalls Einfluss auf die Orexin-Freisetzung.

Die Orexin-bildenden Neuronen kommunizieren mit spezifischen, für den Schlaf wichtigen Hirnregionen. In den für den synchronisierten Tiefschlaf bedeutsamen hypnogenen Zonen des Raphe-Kerns führen die Orexine zur Serotoninfreisetzung, was den Wachzustand fördert. Der für den desynchronisierten Schlaf zuständige Locus coeruleus wird gleichermaßen durch Orexine aktiviert und setzt darauf hin Noradrenalin frei (8).

Die Bedeutung der Neuropeptide für den Wachzustand zeigt sich auch im Tierversuch bei intrathekaler Gabe von Orexinen in den Liquorraum, was den Wachzustand um mehrere Stunden verlängert. Im Gegensatz hierzu führt ein Verlust von Orexin-bildenden Neuronen zu erhöhter Einschlafbereitschaft (9).

Orexine entfalten ihre Wirkung über die Stimulation der G-Protein-gekoppelten Orexin-1- und -2-Rezeptoren. Eine Stimulierung dieser Rezeptoren ist demnach mit einem erhöhten Wachzustand verknüpft, während die Hemmung zu einer schlaffördernden Wirkung führt.

Tatsächlich existiert mit Suvorexant ein selektiver und dualer Antagonist an den Orexin-Rezeptoren. Suvorexant wurde 2014 in den USA als erster Wirkstoff aus der Gruppe der Orexin-Rezeptor-Antagonisten für Ein- und Durchschlafstörungen zugelassen. Der Arzneistoff wird vor dem Zubettgehen einmal pro Nacht (10 mg) eingenommen. Eine erhöhte Tagesschläfrigkeit ist die häufigste Nebenwirkung. Allerdings führt Suvorexant zu keiner körperlichen Abhängigkeit, dies würde einen Vorteil gegenüber vielen anderen Schlafmitteln darstellen.

Neben der zentralen Wirkung auf den Wachzustand haben Orexine wichtige Funktionen auch bei der Nahrungsaufnahme sowie dem Erhalt motorischer Aktivitäten, autonomer Funktionen und der Körpertemperatur. In Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass Nahrungsentzug mit einer erhöhten Wachheit und vermehrter motorischer Aktivität verknüpft ist. Die zentralen Funktionen der Orexine lassen vermuten, dass sie auch bei Hypersomnien zentralen Ursprungs eine große Bedeutung haben könnten (10).

A. übermäßige Schläfrigkeit oder plötzliche Muskelschwäche 

B. häufiger Tagesschlaf oder unwillkürliches Einschlafen fast täglich und über mehrere Monate 

E. Die Schlafpolygraphie zeigt eines oder mehrere Merkmale:

     Schlaflatenz unter 10 Minuten, REM-Latenz unter 20 Minuten, mittlere

     Schlaflatenz im MSLT unter 5 Minuten,

    Einschlaf-REM-Perioden in mindestens zwei Schlafperioden

G. Kein Vorliegen einer anderen Störung, die die Symptome verursachen könnte

H. Andere Schlafstörungen können vorliegen, dürfen aber nicht primäre Ursache der Symptome sein

* Mindestkriterien: B+C oder A+D+E+G

Ausgeprägte Tagesschläfrigkeit trotz ausreichenden Nachtschlafs ist meist das erste Symptom und somit auch ­Diagnosemerkmal der Narkolepsie (Kasten).

Ein unwillkürliches Einschlafen kann schleichend oder schlagartig beginnen und tritt anfangs bei monotonen Situationen wie Lesen oder Fernsehen auf. Der Schweregrad einer Narkolepsie kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, manche Patienten haben Einschlafattacken auch in ungewöhnlichen Situationen wie beim Essen oder Autofahren.

In Deutschland leiden circa 40 000 Menschen an einer Narkolepsie (Prävalenz circa 26-50/100000), dabei sind Frauen und Männer gleich häufig betroffen (11). Die Erkrankung manifestiert sich meist im zweiten Lebensjahrzehnt und kann je nach Schweregrad gravierende psychosoziale Auswirkungen mit sich bringen – dieses vor allem dann, wenn die Unfähigkeit, wach zu bleiben, in leistungsbezogenen Situationen wie im Arbeitsleben auftritt.

Die ICSD-2 unterscheidet Narkolepsie mit Kataplexie (klassische Narkolepsie), Narkolepsie ohne Kataplexie (monosymptomatische Narkolepsie) sowie die sekundäre Narkolepsie (symptomatisch) zum Beispiel bei Läsionen im Bereich des Hypothalamus/Hirnstamms infolge Ischämie oder Tumor (3).

Entwickeln circa 80 bis 90 Prozent der Patienten eine Narkolepsie mit Kataplexie, also Verlust des Muskeltonus ohne Bewusstseinstrübung, so gehen die damit verbundenen, kurz andauernden Episoden fast immer mit einer Erschlaffung der Gesichtsmuskulatur sowie oft auch der Nacken- und Kniemuskulatur einher. In schweren Fällen kann es daher durchaus auch zu Verletzungen durch Stürze kommen.

Von einer hohen Dunkelziffer geprägt kann die nicht diagnostizierte Narkolepsie insbesondere im Arbeitsleben mit schwerwiegenden Folgen einhergehen.

Kataplexien treten fast immer infolge von Gemütsbewegungen wie Lachen, Freude oder Überraschung auf. Das Bewusstsein bleibt erhalten, pathophysiologisch besteht keinerlei Parallele zu zerebralen, epileptischen Anfällen. Die Erschlaffung des Muskeltonus dauert meist weniger als 30 Sekunden. Ein über Stunden andauernder »Status Kataplekticus« ist meist Folge des Absetzens antikataplektischer Arzneistoffe.

Nur bei 42 Prozent der Betroffenen treten die Hauptsymptome Tagesschläfrigkeit und Kataplexie gleichzeitig auf. Auch können Kataplexien sich erst Jahre nach dem Auftreten der ­Tagesschläfrigkeit manifestieren; bei 80 Prozent der Patienten geschieht dies innerhalb von 8 Jahren, bei 20 Prozent ist der Zeitraum noch länger (12).

Neben diesen beiden Kernsymptomen finden sich bei vielen Narkolepsiepatienten häufig weniger spezifische Begleitsymptome. Hierzu gehören eine mangelnde Kontinuität des Nachtschlafs mit vielen Unterbrechungen sowie Verhaltensauffälligkeiten wie die Fortführung automatisierter Tätigkeiten in Schläfrigkeitsphasen.

Darüber hinaus können hypnogene Halluzinationen und Schlaflähmungen zwei charakteristische Merkmale der Narkolepsie sein. Hypnogene Halluzinationen sind meist bildhafte, häufig beängstigende Trugwahrnehmungen beim Übergang vom Schlafen zum Wachen. Die Schlaflähmungen treten entweder während des Einschlafens oder beim Aufwachen auf; der Patient ist für einige Zeit unfähig, Bewegungen auszuführen.

Wahrscheinlich gibt es eine hohe Dunkelziffer an Narkolepsiepatienten. Grund ist der oft schleichende Beginn der Erkrankung und das häufig zeitlich unterschiedliche Auftreten der wichtigsten Symptome, also Tagesschläfrigkeit und Kataplexie. Obwohl eine Diagnose heute zweifelsfrei möglich ist, wird die Erkrankung oftmals jahrelang nicht erkannt und behandelt; Patienten werden aufgrund ihrer Einschlafneigung vielfach als unkonzentriert und desinteressiert angesehen.

Pathophysiologisch zeigt sich ein Verlust der Orexin-bildenden Neurone im dorsolateralen, also seitlich-hinteren Hypothalamus (13). Auch bei Tieren führt der Verlust dieser Neuronen zu Narkolepsie-artigen Zuständen. Als Auslöser für den Verlust neuronaler Zellen werden Autoimmunreaktionen, aber auch Influenza-Virus- und Streptokokkeninfektionen diskutiert (14).

Wenn die Ursachen für Autoimmun­erkrankungen auch unbekannt sind, so weiß man doch, dass bestimmte, in diesem Zusammenhang typische Gewebemerkmale wie Assoziationen mit spezifischen HLA-Haplotypen, so unter anderem dem HLA-Typ DQB1*0602, bei mehr als 95 Prozent der Narkolepsie-Patienten gegeben sind (15). Die Diagnose Narkolepsie lässt sich gemäß der ICSD 2-Kriterien zweifelsfrei und einfach stellen, allemal wenn der Arzt mit der Erkrankung vertraut ist und als Leitsymptom die charakteristische Kataplexie im Krankheitsverlauf auftritt.

Zur definitiven Diagnosestellung ist jedoch – wie beschrieben – eine Schlafpolysomnografie notwendig, die auch eine Untersuchung des Tagesschlafes beinhaltet. Vor allem das frühe Auftreten der ersten REM-Phase nach weniger als 20 Minuten ist ein wichtiges diagnostisches Kriterium. Auch die Verminderung von Orexinen im Liquor unter die Nachweisgrenze ist ein hochsensitiver Nachweis für die Narkolepsie mit Kataplexie, allerdings weniger ­spezifisch bei Narkolepsie ohne Kataplexie.

Bei der Therapie der Narkolepsie kommen sowohl medikamentöse als auch nicht medikamentöse Behandlungen zur Anwendung (2). Die nicht medikamentöse Therapie umfasst die Einhaltung spezifischer schlafhygienischer Regeln wie geregelte Schlaf-Wach-Rhythmen und das Vermeiden von Schlafentzug. Individuell eingelegte Tagschlafepisoden können bewusst genutzt werden, um wichtige Tätigkeiten in den Zeiten erhöhter Wachheit auszuüben. Eine ausgeglichene kohlenhydratarme Ernährung, der Verzicht auf Alkohol und Nicotin sowie körperliches Training sind wichtige Aspekte der Lebensführung.

Bei der medikamentösen Therapie werden Arzneistoffe unterschieden, die zum einen vor allem auf die Tagesschläfrigkeit und Einschlafattacken (NonREM-Symptome) wirken beziehungsweise zum anderen Symptome wie Kataplexie, hypnagone Halluzinationen und Schlaflähmung (REM-Symptome) mindern. Die Auswahl der geeigneten Medikamente richtet sich vor allem nach der dominierenden Symptomatik (Tabelle 1).

Die Tagesschläfrigkeit wird vor allem mit Stimulanzien behandelt. Gute und große Studien existieren für Modafinil und Natrium-Oxybat, die zu den Mitteln der ersten Wahl gehören. Bisher gibt es keine vergleichenden Untersuchungen (16).

Modafinil ist bei 70 bis 80 Prozent der Patienten effektiv. Die Substanz wirkt durch kompetitive Bindung vor allem an membranäre Dopamin- und Noradrenalin-Transporter, was mit einem extrazellulären Anstieg dieser Catecholamine verknüpft ist. Als Nebenwirkung werden von fast jedem zweiten Patienten Kopfschmerzen genannt, zudem kann es dosisabhängig zur Erhöhung von Leberenzymen wie der Alkalischen Phosphatase und der γ-Glutamyltransferase kommen.

Als Alternative zu Modafinil kommt Methylphenidat zum Einsatz, auch die Kombination beider Substanzen in angepasster Einzeldosierung ist möglich. Bei ausgeprägter Tagesschläfrigkeit scheint Armodafinil als länger wirksames R-Isomer von Modafinil effektiver zu sein (17). Allerdings ist Armodafinil bisher nur in den USA zugelassen.

Typisch für CFS-Patienten sind unter anderem Ein- und Durchschlafstörungen trotz Tages­müdigkeit

Seit 2007 ist zur Therapie der Narkolepsie auch Natrium-Oxybat verfügbar. Hierbei handelt es sich um den physiologischen Botenstoff γ-Hydroxy­butter­säure, der seine Wirkung über die Freisetzung weiterer Neurotransmitter vermittelt und, wenn auch nicht so ausgeprägt wie Modafinil, nicht nur die Tagesschläfrigkeit, sondern auch weitere Kernsymptome wie Kataplexie verbessert. Natrium-Oxybat wirkt sich positiv auf die nächtliche Schlafarchitektur aus. Bei Patienten mit schwerer Kataplexie zusätzlich zur Tagesschläfrigkeit kann Natrium-Oxybat daher als Medikament der ersten Wahl eingesetzt werden (18).

Kataplexien, Schlaflähmungen und hypnagone Halluzinationen werden in der Regel mit Antidepressiva behandelt. Vor allem Clomipramin reduziert Kataplexien besonders effektiv, allerdings ist die Anwendung des Dibenz­azepins durch das Auftreten vielfältiger Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Schwitzen, Obstipation, Akkomodationsstörungen und orthostatische Dysregulation limitiert.

Spielt auch Histamin eine zentrale Rolle beim Schlaf-/Wachrhythmus, so finden H1-Anthistaminka Verwendung als Schlafmittel. Demgegenüber würde die Aktivierung von Histamin im Gehirn eine erhöhte Wachheit und ­Aufmerksamkeit nach sich ziehen. ­Allerdings ist eine direkte Stimulation des histaminergen Systems (H1- und H2-Rezeptoren) wegen der massiven Nebenwirkungen nicht möglich. Als ­Alternative bietet sich hier eine Blockade der H3-Autorezeptoren im Gehirn an, die die Freisetzung von Histamin modulieren. Tatsächlich hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) vor kurzem als weiteres Medikament zur Behandlung der Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie Pitolisant empfohlen. Hierbei handelt sich um einen Histamin-H3-Rezeptor-Antagonisten, der zu einer erhöhten Histamin-Freisetzung im Gehirn und damit zu mehr Wachsamkeit und Aufmerksamkeit führt. Die Sicherheit und Verträglichkeit von Pitolisant wurde bereits in mehreren Studien belegt und soll nunmehr in einer Langzeitstudie bestätigt werden.

Auch Patienten mit einer idiopathischen Hypersomnie klagen über exzessive Tagesschläfrigkeit. Die Patienten können während des Tages bei monotonen Situationen einschlafen, der häufig lang andauernde Tagschlaf ist selten erholsam. Fast immer tritt diese seltene Erkrankung vor dem 25. Lebensjahr auf, beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen (19).

Zwei Formen können unterschieden werden, die idiopathische Hypersomnie mit langer Schlafzeit, bei der auch der Nachtschlaf deutlich über 8 Stunden verlängert ist, sowie die idiopathische Hypersomnie ohne lange Schlafzeit. Vor allem bei Patienten mit langer Schlafzeit besteht morgens ein ausgeprägter Zustand von Schlaftrunkenheit. Die Pathophysiologie ist nicht bekannt, es werden genetische Ursachen vermutet (20).

Im Gegensatz zur Narkolepsie ist die idiopathische Hypersomnie niemals mit einer Kataplexie verknüpft und man findet keine erniedrigten Orexin-Spiegel. Daher ist die Diagnose nicht ganz einfach und muss durch Ausschluss aller anderen Ursachen für eine Hypersomnie erfolgen. Die medikamentöse Therapie erfolgt mit Stimulanzien, die auch bei der Narkolepsie eingesetzt werden (Tabelle 1). Jedoch ist die Wirksamkeit dieser Stimulanzien bei der idiopathischen Hypersomnie weniger ausgeprägt (21).

Typisch für die periodische (oder rezidivierende) Hypersomnie sind Episoden von Tagesschläfrigkeit, die ein- oder mehrmals pro Jahr auftreten und mehrere Tage bis Wochen anhalten können. Die periodische Hypersomnie tritt am häufigsten bei jungen Männern, oft im Anschluss an Infektionen oder ungewöhnliche körperliche Anstrengungen auf. Während der Episoden schlafen die Betroffenen bis zu 18 Stunden am Tag und nehmen nicht selten mehrere Kilogramm zu.

Vom Kleine-Levin-Syndrom (KLS) wird gesprochen, wenn während der hypersomnischen Phasen begleitende Symptome wie sexuelle Enthemmung und Aggressivität auftreten. Auch kognitive Störungen wie Verwirrtheit und Halluzinationen, die einer affektiven Störung ähneln, werden beobachtet (22).

Differenzialdiagnostisch müssen andere Hypersomnien zentralnervösen Ursprungs sowie alle sekundären Hypersomnien abgegrenzt werden. Therapeutisch werden gegen die Tagesschläfrigkeit Stimulanzien (siehe Tabelle 1) eingesetzt, allerdings wird die affektive Störung dadurch oftmals verstärkt. Lithium kann zu einer Besserung der kognitiven Störungen führen (23).

Das CFS ist eine schwere Erkrankung, die nicht nur durch Müdigkeit/Fatigue, sondern auch durch weitere neurokognitive und immunologische Symptome gekennzeichnet ist (24). Dabei versteht man unter Fatigue eine dauerhafte Müdigkeit, erschöpfte Kraftreserven und ein erhöhtes Ruhebedürfnis, die sich nicht mit vorangegangenen Anstrengungen erklären lassen.

Das CFS tritt initial meist nach einer viralen Infektion auf und beginnt mit grippeähnlichen Symptomen. Hals- und Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, Konzentrations-, Gedächtnis- und Schlafstörungen sind typische Begleiterscheinungen. Diese Symptome klingen jedoch nicht ab, sondern persistieren über lange Zeit.

Der Schweregrad der Erkrankung kann über die Zeit variieren, zudem sind die Symptome bei jedem Patienten unterschiedlich ausgeprägt. Das Krankheitsbild kann sich bei einer körperlichen Anstrengung, allerdings oft erst am Folgetag, drastisch verschlechtern; man bezeichnet dies als Post-Exertional-Malaise (malaise; franz.: Unbehagen, Unwohlsein; 25).

Die neurokognitiven Symptome sind Konzentrations-, Merk- und Wahrnehmungsstörungen. CFS-Patienten fühlen sich häufig wie benebelt. Immunologische Begleiterscheinungen sind oftmals Lymphknotenschwellungen, eine unspezifische Pharyngitis sowie eine chronische Entzündung der Atemwege. Zudem treten oftmals allergische Reaktionen gegen zuvor gut vertragene Nahrungsmittel und Arzneistoffe auf. Gerade diese immunvermittelten Erscheinungen sind bei den Betroffenen häufig sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Die pathophysiologischen Ursachen für die CFS sind bisher nicht genau bekannt. Da die Erkrankung oft akut mit einem Infekt beginnt, wird vermutet, dass virale und bakterielle Infektionen an der Auslösung beteiligt sind. Chlamydien, Legionellen und Coxiellen als bakterielle Auslöser sowie Enteroviren und Influenza-Viren werden mit der CFS in Verbindung gebracht (26).

Vor allem aber nimmt man an, dass eine späte Epstein-Barr-Virus (EBV)-­Erstinfektion und das Pfeiffer-Drüsenfieber das CFS triggern können. Trotzdem lässt sich bei den meisten Patienten keine aktive Infektion nachweisen. Vermutet wird, dass es sich auch hier um eine fehlgesteuerte Immunreak­tion handelt, die sich in einer ständigen Immunaktivierung äußert. Dafür spricht die bei vielen Patienten anhaltende T-Zell-Aktivierung (27).

Nach Schätzungen vor allem aus den USA und Großbritannien liegt die Prävalenz der CFS bei 0,3 Prozent. Vermutet wird, dass allein in Deutschland circa 250 000 Menschen an dieser Erkrankung leiden (28). Bei vielen Betroffenen wird das CFS jedoch nicht diagnostiziert, häufig wird es mit einer depressiven Episode verwechselt. Dabei gibt es einen fundamentalen Unterschied. Depressive Menschen haben zwar die Kraft für Aktivitäten, ihnen fehlt aber der Antrieb.

Bei CFS-Patienten ist es genau das Gegenteil der Fall: Ihnen fehlt die Kraft, aber nicht der Antrieb. Allerdings entwickelt eine nicht unerhebliche Zahl an Betroffenen nach längerer Erkrankung eine reaktive Depression, wenn keine Besserung der Symptomatik auftritt. Selbst die WHO hat das CFS als Erkrankung des Nervensystems klassifiziert, obwohl sehr wahrscheinlich die gestörte Immunregulation die Ursache ist.

Bisher ist kein spezifischer diagnostischer Parameter für das CFS bekannt. Relativ häufig lässt sich eine Aktivierung von T-Zellen nachweisen. Gelegentlich finden sich IgG-Subklassen-Defizite und bei einem Teil der Patienten kann serologisch eine späte EBV-Erstinfektion nachgewiesen werden (29). Keiner dieser Befunde ist jedoch spezifisch. Daher erfolgt die Diagnose der CFS zuerst durch Ausschlussverfahren, dabei wird auf internistische und neurologische Erkrankungen geprüft. Liegen derartige Erkrankungen nicht vor, können für die Diagnostik die »Kanadischen Kriterien« herangezogen werden, die von CFS-Spezialisten in der Annahme erstellt wurden, dass das chronische Erschöpfungssyndrom eine schwere, vorwiegend durch virale Infekte und somatische Prozesse ausgelöste Multiorgan-Erkrankung ist.

Diese Diagnosekriterien wurden in diesem Jahr vom US-amerikanischen »Institute of Medicine« (IOM) vereinfacht. Danach liegt ein CFS vor, wenn Betroffene mindestens 6 Monate unter Fatigue, Post-Exertional-Malaise und nicht erholsamen Schlaf kombiniert mit kognitiven Beeinträchtigungen und/oder einer Zustandsverschlechterung beim aufrechten Stehen leiden.

Die medikamentöse Therapie des CFS ist symptomorientiert (Tabelle 2). Sowohl Verhaltenstherapie wie Aktivitätsaufbau und Förderung von Sozialkontakten als auch mäßige körperliche Belastung zeigen einen positiven Effekt auf die Fatigue. Allerdings sollten die körperlichen Aktivitäten sehr moderat gestaltet sein, da es ansonsten zu einer Verschlimmerung und hier gleichermaßen dem Post-Exertional-Malaise kommen kann.

Burkhard Kleuser studierte von 1984 bis 1988 Chemie und Lebensmittelchemie sowie von 1990 bis 1994 Biochemie und Molekularbiologie an den Universitäten Wuppertal und Hamburg. Nach seiner Promotion 1994 und seiner Postdoktorandenzeit am Medical Center, Georgetown University, Washington D.C., USA, war er von 1997 bis 2002 als wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin tätig, bevor er sich 2002 habilitierte und im selben Jahr auch die Lehrbefähigung für das Fach Pharmakologie und Toxikologie erhielt. Kleuser wurde 2006 zum Universitätsprofessor (W2) für Pharmakologie und Toxikologie an der Freien Universität Berlin berufen. Seit 2009 bekleidet er den Lehrstuhl für Toxikologie am Institut für Ernährungswissenschaften (W3) der Universität Potsdam und ist gleichermaßen Direktor des Instituts.

Professor Dr. Burkhard Kleuser Lehrstuhl für Toxikologie

Zufall zeigt neue Wege auf

Eine Zufalls-Entdeckung wurde in Norwegen gemacht, als ein Patient mit Hodgin-Lymphom, der gleichzeitig an CFS litt, mit Rituximab behandelt wurde. Der monoklonale Anti-CD20-Antikörper, der zur Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms eingeführt wurde und seit 2006 bei Rheumatoider Arthritis zugelassen ist, führt zu einer Depletion dieser B-Lymphozyten.

Tatsächlich besserten sich bei diesem Patienten die CFS-Symptome. In einer kleineren, von 2009 bis 2010 in Norwegen durchgeführten Studie erhielten die Patienten daraufhin im Abstand von zwei Wochen Kurzinfusionen mit Rituximab oder Placebo. Bei 10 von 15 Patienten kam es zu einer mäßigen bis deutlichen Verbesserung des CFS.

Dagegen berichteten nur 2 von 15 Patienten der Placebo-Gruppe über eine Linderung ihrer Symptome (30). Die Rituximab-Wirkung hielt über 25 Wochen an, mit dem Anstieg von CD20-positiven B-Zellen traten die Symptome wieder auf. Daher wird gerade eine weitere Multicenterstudie mit Rituximab in Norwegen mit mehr als 150 Patienten (RituxMe-Studie) gestartet.

Allerdings muss bedacht werden, dass eine Therapie, die in die Produktion von Antikörpern eingreift, nicht frei von Nebenwirkungen ist und mit einem erhöhten Risiko von Infektionserkrankungen einhergeht. Doch belegt diese Therapieoption eindeutig, dass eine Immundysregulation beim CFS sehr wahrscheinlich ist. /